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Ausgabe 31 vom 1. Dezember 2009 (als PDF):

19. November 2009 – Meinert A. Meyer, Christian F. Görlich, Ludger Humbert

Editorial

In dieser Ausgabe von rhino didactics geht es um Bildungsgangdidaktik und Fachdidaktik. Für die fachspezifische Ausrichtung der Bildungsgangdidaktik auf die Geschichtsdidaktik stellen wir erstmals eine Dissertation vor, die vor kurzem erschienen ist. Weitere Präsentationen sollen folgen. Für die Informatikdidaktik gibt es Berichte zur Berliner Tagung »Informatik und Schule« (INFOS 2009). Zur Zeit wird intensiv diskutiert, wie bildungsgangdidaktische Ansätze und Erkenntnisse auf die Informatikdidaktik bezogen werden können. Wir haben vor, erste Ergebnisse dieser Diskussionen in den kommenden Ausgaben dieser Internet-Zeitschrift zu präsentieren. Da es einen solchen Bezug der Bildungsgangdidaktik auch für andere Fachdidaktiken gibt (Mathematik, Physik, Chemie, Biologie, Politik, Fremdsprachen) gibt, werden wir auch hierzu berichten.

Diese Ausgabe von rhino didactics bringt drei Bild-Reproduktionen. Eins ist ein Foto aus einem Biergarten in Berlin-Dahlem, in direkter Nähe zum Campus der Freien Universität. Was, fragen Sie sich vielleicht, soll die Botschaft sein, außer dass die Beteiligten an der Tagung in Berlin sich wiedererkennen können? Die Botschaft ist, dass es in Schule und Unterricht wesentlich darauf ankommt, wie wir kommunizieren. Wir wollen aus bildungsgangdidaktischer Perspektive immer auch darstellen und kommentieren, wie Erkenntnisse produziert werden. Nicht nur in der Isolation eines Arbeitszimmers oder der Universitätsbibliothek, sondern gerade auch in der Kommunikation. Wissenschaft ist kommunikativ, und der Campus bietet dafür den Rahmen. Das Foto kann also die Bedeutung informeller Kontakte unterstreichen.

Daneben gibt es zwei Kinderzeichnungen. Aika malt einen Schneemann, bunt, und sie zeichnet eine Schneeballschlacht. Beide Bilder dokumentieren konstruktivistische Kraft, gegen die »Wirklichkeit«, wie wir Erwachsene sie sehen. Ein Schneemann ist doch nicht bunt! Und dann die viel zu langen, rund gebogenen Arme der Kinder bei der Schneeballschlacht.

Aika malt einen Schneemann – einen Schneemann bunt zu malen, macht Spaß!

Aika Meyer: Bunter Schneemann – 1984

Einen Schneemann bunt zu malen, macht Spaß! So wie das Schneemann bauen Spaß macht.

Mal doch mal eine Schneeballschlacht!

Aika Meyer: Schneeballschlacht – 1984

Und wenn man sich Aikas Auftrag für das zweite Bild überlegt – Mal doch mal eine Schneeballschlacht! –, dann ist dieser Auftrag wirklich gekonnt gelöst und auch hier hat man das Gefühl, dass es der Zeichnerin Spaß macht! Hier stehen sich die beiden Kindergruppen gegenüber. Man hat sich ein Schneeballdepot angelegt. Die Bälle fliegen durch die Luft. Besser hätte man das zur Zeit der Ottonen auch nicht machen können.

Was also lehren uns diese Kinderbilder? Wir meinen, dass die Kinderbilder uns davor warnen können, die Kinder nicht  immer als noch zu kleine Erwachsene zu betrachten. Sie sind Menschen mit altersspezifischer Ausdruckskraft, Kompetenz und Emotionalität. Schade, dass diese konstruktivistische Kraft später, wenn die Kinder 13 oder 14 oder 15 Jahre alt werden, wieder verloren geht!

Die beiden Bilder waren ursprünglich für eine Publikation gedacht gewesen, die Meinert Meyer und Wilfried Plöger herausgegeben haben: »Allgemeine Didaktik, Fachdidaktik und Fachunterricht«, bei Beltz in Weinheim, 1992. Der Verlag hat die Bilder abgelehnt. Später haben es andere Verlage genauso gemacht. Warum wollen die Verlage solche Bilder nicht in didaktischen Publikationen? Wir vermuten, dass die Lektoren und Redakteure die »Kindlichkeit« der Bilder zurückschrecken lässt. Das ist doch nicht professionell! Was für sie kindlich ist, ist also für uns Ausdrucksstärke. Deshalb finden wir Kinderbilder schön.

Angemerkt sei, dass es ebenso ausdrucksstarke Bilder aus ottonischer Zeit gibt, etwa eine Miniatur aus dem Reichenauer Evangeliar (erstes Jahrzehnt des elften Jahrhunderts): Man sieht Jesus, auf der rechten Seite, mit wallendem roten Mantel, erhobener Hand und ausgestrecktem Zeige- und Ringfinger. Jesus braucht genauso viel Platz auf dem Bild wie die elf Jünger, zu denen er spricht. Sie stehen dicht gedrängt auf der linken Bildsteige und hören ihm zu, mit markanten Augen, ganz wie bei der Schneeballschlacht. Die Kommunikation von Jesus mit seinen Jüngern könnte nicht überzeugender dargestellt werden. Schade, auch diese Ausdruckskraft der ottonischen Buchmalerei ist in späteren Epochen wieder verloren gegangen, so als ob es eine Parallelität der individuellen künstlerischen Entwicklung (der Ontogenese) zur historischen Entwicklung der Menschen in ihren künstlerischen Epochen (der Phylogenese) gäbe.

In der Zukunft wollen wir immer wieder Kinderbilder reproduzieren, überhaupt pädagogische Bilder, die es in größter Zahl gibt. Schade, dass das Copyright uns so viel blockiert, auch das Bild, auf dem Jesus zu seinen Jüngern spricht.

Meinert A. Meyer

Christian F. Görlich

Ludger Humbert

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