Im eingeladenen Vortrag »Strictly models and objects first« berichtete Frau Diethelm von Problemen bei der Unterrichtung objektorientierter Modellierung. Dabei nahm sie auch Bezug auf den Vortrag von Herrn Börstler, der Probleme erkannte, aber in seinen statistischen Untersuchungen kaum signifikante Zusammenhänge fand. Frau Diethelm zeigte durch konkrete Unterrichtskonzepte Möglichkeiten auf, wie diese Probleme umgangen werden können.
Obwohl der objektorientierten Sichtweise nachgesagt wird, dass sie der natürlichen Sichtweise des Menschen entspricht, stellte Ira Diethelm fest, dass die objektorientierte Modellierung in der Praxis als unnötiger Overhead empfunden wird. Schülerinnen und Schüler verwechseln häufig Objekt und Klasse und die objektorientierte Sichtweise wird von ihnen als zu komplex empfunden.
Probleme dieser Art sind nicht erwartet worden, wie folgendes Zitat zeigt: »Many people who have no idea how a computer works find the idea of object oriented systems quite natural. In contrast, many people who have experience with computers initially think there is something strange about object-oriented systems.« [Robson 1981; In: Humbert, Didaktik der Informatik 2006, S. 21]
Der Umstieg von prozeduraler auf objektorientierter Programmierung fällt häufig schwer (vgl. Bergin csis.pace.edu/~bergin/papers/Whynotproceduralfirst.html). Der erste Eindruck (die erste Sprache) hat offenbar große Auswirkungen auf das mentale Modell des Lernenden. Bei dem objektorientierten Paradigma gibt es daher oft Probleme die, zumindest teilweise, von der Vorerfahrung der Schülerinnen und Schüler abhängig sind.
Objektorientierte Modellierung sollte daher zum Anfangsunterricht Informatik gehören. Um zu vermeiden, dass die Modellierung zum Selbstzweck wird, fordert sie Transparenz und das Zulassen kreativer Gestaltungsprozesse, die auch zu alternativen Modellen führen dürfen. Wird anhand des aufgestellten Modells geprüft, ob das gestellte Problem gelöst wird, führt dies ggf. zur Bestätigung der Schülerinnen und Schüler und damit zu einer vom Lehrerlob unabhängigen Motivation.
Das gewählte Beispiel (Mensch ärgere dich nicht) ist komplex genug. Durch den hohen Bekanntheitsgrad kommt es vielleicht dazu, dass eine Analyse sehr kurz abgehandelt wird. Objekte zum Anfassen (die Spielsteine und Würfel) sind sicherlich von Vorteil. Schön wäre ein Beispiel, das gleichzeitig den sinnvollen Einsatz von Informatik deutlich macht.
Bereits am Vortag problematisierte Jürgen Börstler die Objektorientierung: Beispielsweise fragte er, wer (== welches Objekt) in einer Bibliotheksmodellierung aufgelaufene Verspätungsgebühren kennt. Bezugnehmend auf diesen Vortrag kam Frau Diethelm zu der Feststellung, dass ein gutes Kriterium für ein Modell nicht unbedingt die Entsprechung der Wirklichkeit ist. Für das Problem »Wann ist ein Modell ein gutes Modell?« schlägt Frau Diethelm daher eine pragmatische Lösung vor: »Wenn es andere gut verstehen können!«
Die Schwierigkeit durch die »allwissende« Draufsicht der Schülerinnen und Schüler wird mit Augenbinden zur beschränkten »Sicht«. Unsere Berichte zur INFOS05 in Dresden wurden in der If Fase Nr. 4 2005 rhinodidactics.de/Ausgaben/ausgabe-4.pdf veröffentlicht. Sie stehen darüber hinaus als einzelne HTML-Seiten zur Verfügung: rhinodidactics.de/Artikel/Infos05_Ehler_2005-10-24.html rhinodidactics.de/Artikel/Luehning_Infos05_2005-10-19.html rhinodidactics.de/Artikel/hufnagel-berichtDresden_2005-10-28.html
Abläufe können in einem Objektdiagramm mit dem »Zetteltest« visualisiert werden. Die sich ändernden Attributwerte oder Objektbeziehungen werden dabei mit den Klebezetteln überklebt.
Der Vortrag hat zu den vorgestellten Problemen gute Lösungsideen geliefert. Einige Probleme der Umsetzung, die in der Dissertation angesprochen wurden, konnten nicht ausgeführt werden. Besonders schwerwiegend erscheinen mir dabei die in der Disseration beschriebenen Probleme mit dem gewählten Werkzeug Fujaba. Spezielle Lernsoftware ist bei Schülerinnen und Schülern oft nicht sehr geschätzt. Daher erscheint es mir sinnvoll, den Weg von der Modellierung zur textuellen Programmierung ohne Fujaba zu gehen.
In dem Vortrag vielleicht zu kurz gekommen ist eine dem Problemlöseprozess vorausgehende Phase der Analyse. Statt »Models first« ist also (vor der fachspezifischen Modellbildung) zuerst die praxisnahe, informatikspezifische Problemanalyse, durchzuführen.
Ein insgesamt sehr gelungener Vortrag, in dem Probleme mit der Objektorientierten Modellierung klar angesprochen und viele mögliche Lösungen aufgezeigt wurden. Die gewählten Unterrichtsmethoden können Fehlvorstellungen vermeiden und fördern durch Interaktion die Ausbildung geeigneter mentaler Modelle.
Die Dissertation von Ira Diethelm ist unter www.se.eecs.uni-kassel.de/se/index.php?ira zu finden.