Die neuste Ausgabe der Zeitung »Gehirn & Geist« (Nr. 4/2010) beschäftigt sich unter der Frage »Wie elektronische Medien unser Denken verändern« mit der so genannten »neuen Intelligenz«.
Im Editorial berichtet der Chefredakteur Carsten Könnecker von seinem Umstieg auf ein neues Mobiltelefon: »Während ich abends die Bedienungsanleitung studierte, unternahm mein elfjähriger Sohn seine erste Entdeckungsreise per Tasten und Display. Im Nu konnte er mich in alle wichtigen (und unwichtigen) Funktionen des Gerätes einweisen. Die weitere Lektüre des Handbuchs hatte sich erübrigt« (S. 3).
Im Grunde geht es hier auch um das von Janna Schumacher beobachtete Phänomen »Wie ich mir einmal etwas selbst beigebracht habe« – allerdings hier in einem vergleichbaren Versuch eines 11 jährigen Jungen und seines erwachsenen Vaters, mit dem neuen Handy umzugehen.
In dem Artikel »Intelligenz 2.0« von Christian Wolf und in einem Interview mit dem Psychologen Heiner Rindermann wird der Frage nach einer »neuen Intelligenz« weiter nachgegangen, allerdings nur sehr punktuell unter dem Aspekt altersspezifischer Differenzen. Die Ergebnisse der zitierten Untersuchungen sind meines Erachtens nicht überraschend und in der Summe eher beruhigend. Zum einen widerlegen sie die Kritiker, die pauschal in den neuen Medien den Untergang des Abendlandes vermuten. Hinsichtlich förderlicher Aspekte wird aber zu differenzieren sein. Kaum bestreitbar ist, dass die neuen Medien spezifische, in IQ-Testen untersuchte Fähigkeiten befördern – etwa die figurale Intelligenz und das Multitaskingvermögen –, bei anderen eher retardierend wirken – bei der verbalen Intelligenz.
Die Diskussion um die Intelligenz 2.0 zeigt meines Erachtens, wie wichtig es ist, an dem normativen Begriff der »Informatischen Vernunft« – wie er von Humbert und Görlich in die Diskussion eingebracht wurde – als regulativen Idee festzuhalten und das Gemeinte weiter zu elaborieren. Durch das vielleicht selbst nicht mehr begründbare Festhalten an einer antiken Denkfigur, der Einheit von Wahrheit und Guten, gilt es, Tendenzen gegenzusteuern, wie sie auch von Rindermann bestätigt werden. Die Verfügbarkeit von Information – etwa im Internet – verführt dazu, den Dingen nicht mehr auf den Grund zu gehen. »Das lässt sich auch in der Wissenschaft beobachten. Forscher produzieren immer mehr Detailergebnisse und veröffentlichen immer mehr Artikel, aber oft hapert es an einem ausgereiften theoretischen Entwurf. Sogar in der Philosophie lässt sich dieses Phänomen bereits beobachten. (…) Nehmen Sie etwa die Arbeiten von Peter Sloterdijk: Das ist alles sehr facettenreich, sehr flamboyant, mit zahlreichen Bezügen. Doch es fehlt die klare Struktur, es fehlen eindeutige Positionen, wie man sie beispielsweise noch bei Jürgen Habermas findet« (S. 50).