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Ausgabe 32 vom 1. März 2010 (als PDF):

13. März 2010 – Meinert A. Meyer, Christian F. Görlich und Ludger Humbert

Editorial

Rhino didactics findet mit jeder neuen Ausgabe mehr von der Form, die wir, die Herausgeber, uns für dieses elektronische Journal gedacht haben. Offen ist dabei, wie breit wir Bildungsgangforschung und Unterricht verstehen. Heute beginnen wir mit einem Thema, das zunächst nicht eingeplant war. Meinert Meyer besitzt zwei Ordner mit pädagogischen Bildern, und über eines der Bilder ist Christian Görlich, wie man so sagt, sofort gestolpert. Es zeigt die Skizze einer Lernwerkstatt. Man kann diese Lernwerkstatt gut mit »normalen« Räumen vergleichen, in denen die Fächer unterrichtet werden, für die die abgebildete Lernwerkstatt gedacht ist, die fremden Sprachen. Es leuchtet ein, dass normale Klassenräume bei dem Vergleich nicht allzugut wegkommen.

Entstanden ist die Skizze, als Reinhard Donath, ein Pionier des Einsatzes von Informatikmitteln für E-Mail-Projekte in der Schule, Ende der 1980er Jahre zusammen mit Meinert Meyer an einer Lehrerfortbildung in Ostfriesland teilgenommen hatte.

Vielleicht fühlen sich ja einige von Ihnen dazu aufgerufen, für Ihre eigenen Unterrichtsfächer eine Lernwerkstatt zu skizzieren? Wenn Sie dies tun, die Skizze beschreiben und mit einem Kostenplan ausstatten, gelingt es Ihnen vielleicht, Ihre Schulleitung davon zu überzeugen, dass Sie eine Lernwerkstatt benötigen. Interessant ist, wie schnell solche Skizzen veralten können. Wer heute mit einem Diaprojektor und nicht mit informatisch gestalteten Präsentationswerkzeugen arbeitet, ist im wörtlichen Sinne von gestern. Dass aber die heutige schulische Medienausstattung wahrscheinlich morgen selbst wieder von gestern ist, das erläutert Ludger Humbert in seinem Kommentar.

Wenn Fachdidaktiker/innen ein Interesse daran haben, mit Allgemeindidaktikern ins Gespräch zu kommen, dann ist das erfreulich. Es ist immer wieder behauptet worden, dass Allgemeine Didaktik ohne direkten Bezug auf die Unterrichtsfächer mit dem vergeblichen Versuch zu vergleichen sei, ohne Wolle zu stricken. Wir freuen uns deshalb über ein Gespräch, das Maria Knobelsdorf und Dorothee Müller mit Meinert Meyer und Christian Görlich geführt haben, und sind gespannt auf ihre Dissertationen. Weitere Interessenten an derartigen Gesprächen sind herzlich eingeladen.

In diesem Zusammenhang möchte Christian Görlich unter dem ironisch gemeinten Titel Intelligenz 2.0 angesichts der rasanten Veränderungsgeschwindigkeit der informationstechnischen Möglichkeiten auf der zeitlosen Gültigkeit bestimmter Prinzipien des Denkens bestehen und zu einer hier lange notwendigen Diskussion ermutigen. Wie schwierig Lernen auf der auf allen Ebenen der Schule tatsächlich ist, kann dem Praxisbericht der Informatikreferendare Markus Lebe und Thomas Brinkmann entnommen werden.

In dieser Ausgabe stellen wir die Erste Staatsarbeit von Janna Schumacher vor, die von Meinert Meyer betreut wurde. Es geht um die Frage, wie man das heute immer wieder geforderte Ziel der Selbstregulation des Lernens eigentlich zu verstehen hat. Kurz und leicht verzerrend könnte man sagen, Selbstregulation sei der gekonnte Umfang mit Fremdregulation! Die vollständige Staatsarbeit von Janna Schumacher ist über einen Verweis in dem Artikel zugänglich. Zu dem Bild: Mitja Simon beobachtet, erkennbar fasziniert, seinen eigenen Schatten. Dieses Bild kann uns, die wir immer nur die Lehrer-Schüler-Interaktionen im Kopf haben, daran erinnern, dass sehr viel von dem, was Kinder lernen, informell, also ohne gesteuertes Lehren abläuft. Ein Erziehungswissenschaftler, Theodor Schulze, hat die These aufgestellt, dass Lehren der gezielte Eingriff in den Lernprozess der Heranwachsenden sei, als solcher immer eine Störung des Lernens und deshalb gegenüber dem informellen selbstregulierten Lernen zu rechtfertigen.

Christian Görlich zeigt, dass es ertragreich ist, das ganze Bildungssystem (als Subsystem unserer Gesellschaft) aus der Perspektive der Bildungsgangforschung zu analysieren und zu konstruieren. Was kann man dagegen tun, dass unser Lehrerausbildungssystem an Fragmentierung leidet – der Schule gelingt es nicht, vernünftig auf die Universität vorzubereiten, den Lehrer ausbildenden Fakultäten gelingt es nicht, ihre Studierenden vernünftig und effektiv auf das Referendariat vorzubereiten, und das Referendariat ist auch wieder ein geschlossenes System, das die Junglehrerphase nur begrenzt vorbereitend unterstützt. Wenn die Bildungsgangforschung hier Abhilfe schaffen kann, ist das bedeutsam: Wer Bildungsgangforschung betreibt, ist an den Akteuren mit ihrer Lernbiographie, mit ihrem biographischen Gepäck und damit an der Entwicklung von Stufe zu Stufe interessiert. Bildungsgangforschung kann also die trennenden Gräben zwischen den isolierten Subsystemen unseres Bildungssystems überwinden.

Wir wünschen eine ertragreiche Lektüre und freuen uns über Zuschriften an rhino_didactics (bei) uni-wuppertal.de. rhinodidactics.de

Meinert A. Meyer

Christian F. Görlich

Ludger Humbert

© Redaktion rhino didactics