Mitten in diesem eisigen Winter machten sich Maria Knobelsdorf und ich,
Dorothee Müller, von Berlin und Köln kommend, auf nach Münster, um dort mit
einem der Vertreter der Bildungsgangdidaktik, dem in Münster wohnenden
Professor Meinert Meyer, zu sprechen. Im Sinne der Bildungsgangdidaktik trieb
uns zu dieser Reise die selbstgestellte Entwicklungsaufgabe, unsere Theorien
zur Informatikdidaktik zu erproben und zu verbessern.
Ich sah in der Bildungsgangdidaktik eine theoretische Grundlage für meine
Ideen zur Didaktik der Informatik. Und als Maria Knobelsdorf auf der
INFOS 2009 ihr Dissertationsthema zu biographischen Fragen im
Informatikunterricht vorstellte, erkannte Ludger Humbert die prägnante
Affinität zur Bildungsgangdidaktik und stellte den Kontakt zu Meinert Meyer
und Christian Görlich, die zusammen mit ihm die Zeitschrift rhino didactics herausgeben, her. Es
entwickelte sich ein lebhafter und spannender E-Mailwechsel.
Und Christian Görlich lud schließlich alle, die als Schreibende und
Lesende an dem E-Mailwechsel beteiligt waren, zu einem Gespräch nach Münster
ein, wobei Glatteis und Schneemengen leider verhinderten, dass Ludger Humbert
teilnahm.
Das Gespräch zwischen Meyer, Görlich, Knobelsdorf und Müller wurde schnell
lebhaft. Maria Knobelsdorf, in der Endphase ihrer Dissertation, diskutierte
die Berührungspunkte ihrer Forschungsfragen und -ergebnisse zur
Bildungsgangdidaktik. Schnell drehte sich das Gespräch um weiter gefasste
Themen, wie Bildung im Allgemeinen, um die Informatische Bildung und auch um
verschiedene Detailfragen, wie um die Rolle, die der Informationstechnologie
in diesem Zusammenhang zukommt.
Um das Gespräch zu strukturieren, schlug Meinert Meyer vor, eine
Themenliste aufzustellen. Jeder sollte zwei Punkte für diese Gesprächsliste
benennen.
So einigten wir uns schließlich auf vier Themen für dieses Gespräch.
1. Entwicklungsaufgaben
Es wurden Entwicklungsaufgaben in zwei Zusammenhängen angesprochen: die
biographische Entwicklungsaufgabe mit den Möglichkeiten des Faches
Informatik, diese zu befördern, und die normative Ebene der Richtlinien und
Lehrpläne.
2. Konsequenzen der Bildungsgangdidaktik
Welche Auswirkung hat die Bildungsgangdidaktik konkret auf den Unterricht?
Meinert Meyer sah vor allem Änderungsmöglichkeiten über die Gütekriterien.
Christian Görlich betont mehr die Ausrichtung des Unterrichts an
Entwicklungsaufgaben statt an Lern- und Lehrzielen oder Bildungsstandards als
möglichen Weg, die Ziele der Bildungsgangdidaktik im Schulalltag zu
verwirklichen.
3. Informatische Bildung
Wenn die beiden ersten Themen vor allem wegen ihres Umfangs nur angerissen
werden konnten, zeigte sich, dass bei diesem Thema, Meinert Meyer vorschlug,
das Problem einer genauen Begriffsbestimmung noch größer war. Die Beziehung
zwischen Informatik und Allgemeinbildung führte zu der Frage, was wir in
diesem Kreis unter Allgemeinbildung verstanden. Bei dem Begriff
»informatisch« waren wir schnell bei der Frage: Inwieweit kann man schon vor
dem Aufkommen der modernen Informationstechnologien/-techniken von einem
informatischen Denken sprechen?
4. Widerspruch zwischen individueller Bildung und kollektivem
Unterricht
Während Meyer und Görlich die Einseitigkeit von Bildungsstandards bedauerten,
berichteten Knobelsdorf und Müller, dass die Bildungsstandards Informatik der
Gesellschaft für Informatik mehr Freiraum für individuelle Bildung
bieten.
Den Erfolg dieses Gesprächs sehe ich vor allem darin, dass offene Fragen
aufgezeigt wurden. Dass dies zu Ergebnissen führen wird, zeigt sich im ersten
Ansatz in dem Vortragsthema, das Maria Knobelsdorf für das
Berlin-Brandenburgische Doktorandencolloquium (BBDC) am 19.2.2010 wählte:
»Wege in die Informatik aus Sicht von InformatikstudienanfängerInnen –
ein bildungsgangdidaktischer Forschungsansatz für die Informatik«
Doch die Arbeit hat erst begonnen. Das Gespräch in Münster war ein Schritt
auf dem Weg zur Bildungsgangforschung aus informatik-didaktischer Sicht.