Handys im Unterricht? »Die stören und sollten daher ausgeschaltet in den Schultaschen der Schülerinnen und Schüler verschwinden.« – so wohl die Meinung vieler Lehrer. In vielen Fächern werden Mobiltelefone auch nicht zum Lernmaterial der Schülerinnen und Schüler gehören. Anders jedoch im Informatikunterricht. Soll die Informatik in der Schule universell gelehrt werden und sich gleichzeitig am aktuellen Zeitgeschehen orientieren, so kommt man – angesichts der fortschreitenden technischen Entwicklung – bald nicht mehr umhin anzufangen, Mobiltelefone in den Unterricht zu integrieren.
Es gibt kaum noch Schülerinnen und Schüler ohne ein Funktelefon und bei näherer Betrachtung ist erkennbar, dass viele vorhandene Geräte bereits eine hohe Funktionalität aufweisen. Das Telefonieren ist nur noch eine von vielen anderen Funktionen geworden. Die Prozessoren werden immer leistungsfähiger, der verfügbare Speicherplatz für Musik, Bilder und andere Medien wächst mit jeder Modellreihe und die Bildqualität des Displays wird immer besser.
Aber wie kann man – aus Sicht des Lehrers – Mobiltelefone sinnvoll in den Unterricht integrieren?
Grundsätzlich kann das Mobiltelefon im Unterricht zunächst aus Hardwaresicht analysiert werden. So finden sich Eingabemöglichkeiten (Tastatur, Mikrofon, Sprechlautsprecher) sowie Ausgabemöglichkeiten (Display, Lautsprecher). Zusammen mit der Betriebs–Software und der Integration in ein (Mobilfunk–)Netz, durch das das Mobiltelefon Daten senden und empfangen kann, sind Grundlegende Eigenschaften eines Informatiksystems vorhanden. Hier kann der Unterricht dahin gehen, dass Vergleiche mit anderen Informatiksystemen angestellt werden und Parallelen sowie Unterschiede gesucht werden.
Aber ist auch ein universeller Einsatz eines solchen Systems im Unterricht möglich, wie es bei einem Desktop PC der Fall ist?
Wie im oben genannten c't Artikel beschrieben, besteht seit einiger Zeit die Möglichkeit, auf ausgewählten Mobiltelefonen eine Portierung der Programmiersprache Python zu installieren. Die Mobiltelefone, für die dies zur Zeit möglich ist, müssen eine Symbian Series 60 Betriebssystemoberfläche besitzen. Die Portierung (Python for Series 60) stellt nach der Installation sowohl eine Möglichkeit zur Verfügung Python-Skripte zu starten (Run Script) als auch Befehle in einen Interpreter einzugeben (Interactive Interpreter). Die Portierung besitzt zunächst einmal grundlegende Module, die eine handyspezifische Ein- und Ausgabe ermöglichen (Tastatur, Display, Kameras, Lautsprecher etc.). Daneben können weitere (vorhandene und neue) Module – wie bei Python üblich – importiert werden. Meistens funktionieren Module, bereits ohne Anpassung.
Wie unter einem normalen Desktop-PC ist es möglich, Programme durch Python für Series 60-Editoren (im WWW frei verfügbar) zu schreiben und Anwendungen zu erstellen. Das Mobiltelefon wird – nicht wie es unter Java der Fall ist – ausschließlich zur Laufzeitumgebung, sondern gleichzeitig auch Entwicklungsumgebung. Nahezu alle Schülerinnen und Schüler beherrschen das Eingeben von Text per Handytastatur. Die verfügbaren PYS60-Editoren wirken sich durch Shortcuts und Autovervollständigung zusätzlich auf den Eingabekomfort aus. Durch den nahen Bezug zu Mobiltelefonen – am besten natürlich, wenn man am eigenen Gerät arbeitet – besitzen die Schülerinnen und Schüler auch keine Hemmungen, einfach mal zu probieren.
Die Installation der Software ist verblüffend einfach:
Die passende Python-S60-Version für die passende Series 60 Oberfläche
unter www.forum.nokia.com/python herunterladen, per Bluetooth
an das Mobiltelefon senden und dort installieren. Skripte / Programme,
wie etwa Editoren können per Bluetooth auch übertragen werden und lassen
sich anschließend mit einem Knopfdruck installieren. Unter der
Nokia-Homepage findet sich die Software für einen Nokia Series 60
Emulator, so dass auch am Computer gearbeitet werden kann. Falls mit der
Eingabe per Handy-Tastatur Probleme auftreten, kann auch ein einfacher
Editor am Desktop-PC eingesetzt werden. Dann muss jedoch eine
Datenverbindung an das Mobiltelefon (IR, BT oder USB-Kabel) vorhanden
sein, so dass fertige Programme übertragen und getesten werden können.
Alle diese genannten Voraussetzungen sind ohne großen finanziellen
Aufwand möglich. S60 Mobiltelefone sind bei Internetversteigerungen
oftmals für 30 bis 80€ erhältlich (je nach Ausstattung) und meistens
gibt es in einem Informatikkurs bereits Schülerinnen und Schüler, die ein
Mobiltelefon mit der S60 Oberfläche besitzen.
Die Möglichkeiten sind zahlreich: SMS generieren und senden, Formulare entwerfen, Grafiken einbinden, Töne aufnehmen und wiedergeben, Zeichnungen erstellen, die Kamera(s) nutzen, aktuelle Zellendaten auslesen (Standort des Gerätes), Auswahlmenüs, Belegung der Tasten und Softkeys und die Nutzung der Datenschnittstellen (GPRS und Bluetooth – für die Schule sehr geeignet, da kostenfrei). Aber auch Datenstrukturen und Algorithmen können programmiert werden.
Wie im Artikel beschrieben, stellt die Programmiersprache Python für Series 60 durch ihre Module dem noch nicht so erfahrenen Programmierer eine große Bibliothek zur Verfügung, so dass auch Nicht-Profis Anwendungen für Mobiltelefone bzw. Smartphones entwerfen und umsetzen können. Im Heft wird ein Beispiel gezeigt, in der die aktuelle Zellen-ID mit der Homezone-Zellen-ID verglichen wird und bei Übereinstimmung eine SMS mit »Bin gleich zu Hause« abgeschickt wird.
Bei der Recherche im Internet stellt man fest, dass sich bereits eine große Gemeinschaft zum Thema Python für Series 60 gebildet hat und in vielen Bereichen Anwendungen und Codefragmente in PYS60 entwickelt werden. Da diese Mobiltelefone die für die Informatik so wichtige universelle Eigenschaft eines Informatiksystems besitzen, können auch viele Unterrichtskonzepte für diese Geräte umgesetzt werden. So habe ich im Rahmen meiner Examensarbeit damit begonnen das Stifte und Mäuse Konzept für PYS60 zu portieren. Im Moment sind die Klassen Bildschirm, Stift und Buntstift implementiert (siehe www.ham.nw.schule.de/pub/bscw.cgi/315339). Nach meinem Vorbereitungsdienst werde ich meine Examensarbeit öffentlich zur Verfügung stellen. Darin werden ausführlicher Beispiele und Konzepte aufgezeigt, wie Mobiltelefone in der gymnasialen Oberstufe zum Einsatz kommen können.
Man darf gespannt sein, ob Mobiltelefone in schon in naher Zukunft breiter sinnvoll im Informatikunterricht eingesetzt werden.