Nicht einmal im Informatikjahr macht der Bund Aussagen zum Informatikunterricht an allgemeinbildenen Schulen – so ein erster Kritikpunkt des Informatikprofessors Volker Claus.
Als Vertreter der Gesellschaft für Informatik versucht er das Fach Informatik in Schulen aller Bundesländer weiter zu etablieren und fordert daher Standards, so dass einheitliche Lehrpläne für den Informatikunterricht entstehen und das Fach Informatik fest in den Stundenplan – bereits in der Sekundarstufe I – etabliert wird. Auch für Referendare im Vorbereitungsdienst ist die Stellung der Informatik in den Schulen nicht unbedeutend. Wird Informatik nicht als vollwertige (Natur-)Wissenschaft anerkannt, so kommen Oberstufenkurse teilweise erst gar nicht zustande.
Die Informatik muss sich als Wissenschaft – anders als andere Fächer – immer wieder etablieren und rechtfertigen. Dabei müssen sich kommende Generation angesichts Abwägung von Chancen und Risiken sowie für den sinnvollen Umgang und Einsatz von Informatiksystemen Informatikkenntnisse aneignen, so dass Informatikunterricht in der Schule umumgänglich ist.
Auch gibt es bezüglich der Lehrpläne noch große Unterschiede in den einzelnen Bundesländern. In vielen ist der Einsatz von Computern in verschiedenen Unterichtsfächern bereits selbstverständlich. Die Ausstattungsstatistiken zeigen, dass die Versorgung der Schülerinnen und Schüler mit einem Computer das geringste Problem darstellt. Der Einsatz eines Computers ab der 5. Klasse soll den Schülerinnen und Schülern Berührungsängste mit den Geräten nehmen und den Computer als Lernwerkzeug einführen. Der Rechnereinsatz als Werkzeug führt jedoch in keinster Weise zu einem besseren Verständnis im Sinne der Informatik. Viele Städte, wie Braunschweig oder Paderborn, haben große (finanzielle) Anstrengungen unternommen um eine gute Computerinfrastruktur aufzubauen.
Viele Gelder fließen in Hardware und Software und noch mehr wird in die Anministration der Netzwerke fließen. Dabei werden Lernumgebungen geschaffen, in denen sich die Lehrerinnen und Lehrer voll auf die Technik verlassen müssen und es immer wieder zu Problemen im Ablauf des Unterrichts kommt. Viele Eltern unterstützen mit eigenen Laptops sogenannte Laptopklassen und hoffen darauf, dass allein durch die Nutzung eines Laptops ein informatisches Grundwissen vermittelt wird. Auch die PISA-Ergebnisse legitimieren und forcieren den Einsatz neuer Medien im Unterricht, wobei der Nutzen und die Erfolge (Rendite der Investitionen) noch nicht wirklich erkennbar sind. Computer-Vielnutzer schneiden häufig sogar schlechter ab, als Schülerinnen und Schüler, die den Computer seltener nutzen.
Wie erwähnt, kann aber aus Sicht der Informatik eine informationstechnische Grundbildung jedoch nicht durch die Benutzung (Beispiel: Eintippen des Suchbefehls ins Google-Fenster) erreicht werden. So muss Informatikunterricht nicht zwangsläufig am Rechner stattfinden. Viele Begriffe und Themen lassen sich durch Rollenspiele, Experimente und viele weitere Methoden viel besser veranschaulichen, wodurch den Schülerinnen und Schülern beispielsweise auch die Komplexität der Algorithmen und Prozesse verdeutlicht wird – Prozesse die heutzutage völlig automatisch und scheinbar selbstverständlich ablaufen. Auch die Analyse und das Lösen von Problemen, die Modellierung und die damit verbundenen Perspektivwechsel können spielerisch erarbeitet werden und anschließend auf den Rechner übertragen werden. Das universelle Denken wird geschult.
Auch in Niedersachsen hat das Fach Informatik nur einen geringen Stellenwert. Trotz der Verkürzung der Gymnasialzeit und der damit verbundenen Umstellung des Lehrplans wurde es versäumt, das Fach Informatik als Pflichtfach einzuführen. Auch die IT-Qualifizierung der Lehrkräfte ist ein großes Manko. Professor Hubwieser (Bayern, Informatikfachdidaktiker) bringt es auf die einfache Formel: kein Schulfach Informatik = keine Fakultas = keine Fachlehrerausbildung.
Meistens wird fachfremd und ohne didaktische Ansätze und der Orientierung an Grundprinzipien unterrichtet. Neben einer guten Infrastruktur ist also ein einheitliches und durchdachtes Unterrichtskonzept nur mit gut ausgebildeten Informatiklehrern möglich.
Der Informatikunterricht kann sich zwar aufgrund der großen Freiheiten des Lehrplans an Programmen, wie Office Paketen bedienen, sollte jedoch keine Anwendungsschulung betreiben, sondern Gegenstände der Informatik behandeln. Viele neue Konzepte versuchen daher Inhalte mit konkreten Anwendungen zu verknüpfen (beispielsweise PontoML).
Professor Volker Claus schätzt, dass im Jahr 2050 60 Prozent aller Arbeitsplätze eine solide Informatik-Grundbildung voraussetzen – damit ist eben kein Anwenderwissen, sondern sind die Prinzipien der Informationsverarbeitung gemeint.
Der nächste Schritt sollte jedoch sein, die Informatisierung in das Bildungswesen einzubeziehen – sowohl durch Integration in dafür geeignete Fächer, als auch durch einen grundlegenden Informatikunterricht. Dazu ist die ausreichende Anzahl von Fachlehrern notwendig. Gleichzeitig kann der Rechnereinsatz auf seine Wirksamkeit hin untersucht werden – um abwägen zu können, wie hoch der damit verbundene Lernerfolg ist.