In ihrem Vortrag „Informatikunterricht versus Softwareschulung?“ ging Siglinde Voß auf die Gemeinsamkeiten und Zusammenhänge dieser beiden Arten der Wissens- und Kompetenzvermittlung ein. Als Beispiel verwendete sie Einführungen in ausgewählte Elemente (namentlich Textverarbeitung und Tabellenkalkulation) der Office-Pakete von Microsoft und Sun. Damit ist eine Nutzung der Ergebnisse für OpenOffice.org ebenfalls möglich.
Frau Voß unterrichtet Informatik an dem Gymnasium in Immenstadt (Bayern) und promoviert derzeit im Bereich der Informatikdidaktik an der TU München.
Die Ausgangssituation der gymnasialen Schulinformatik in Bayern stellt sich wie folgt dar: Nach einer Testphase mit Informatik als 2-stündigem Pflichtfach in Jahrgangsstufe 6 ab 2000/2001 (evaluiert unter anderem von Prof. Hubwieser und Prof. Schubert – Gastgeberin des Vortrags an der Universität Siegen) wurde im Schuljahr 2004/2005 Informatik als 1-stündiges Pflichtfach in den Stufen 6 und 7 der bayerischen Gymnasien im Zusammenhang von „Natur und Technik“ eingeführt.
Lerninhalt in den Jahrgangsstufen 6 und 7 im Pflichtfach Informatik ist die Vermittlung und Veranschaulichung informatischer Modelle am Beispiel von Anwendungssoftware. Dabei werden unter anderem Textverarbeitungsprogramme eingesetzt. Die objektorientierte Analyse und das Verständnis von Begriffen wie Objekt und Attribut wird anhand der Konstruktions- und Strukturelementen von Texten vermittelt. Betrachtet man etwa die Absätze eines Textes als Objekte, so sind zugehörige Attribute etwa Zeilenabstand zwischen den Absätzen, Einrücktiefe, etc. Auf diese Weise werden den Schülerinnen und Schülern neben dem Umgang mit Anwendungssoftware auch grundlegende informatische Denkweisen und somit fundamentale Ideen der Informatik nahegebracht, auf die später auf anderem Niveau zurückgegriffen werden kann.
Der zweite Bereich der Vermittlung von „informatischem“ Wissen, mit dem sich Siglinde Voß beschäftigt, ist die berufliche Weiterbildung und Schulung in Office-Anwendungssoftware. Die stete Weiterentwicklung(?) der Office-Werkzeuge stellt steigende Anforderungen an den Anwender. Daher ist eine Veranschaulichung der strukturellen Zusammenhänge und dynamischen Abläufe dieser Systeme vonnöten. In diesem Kontext vertritt Frau Voß die These, dass dazu die Informatik durch die Bereitstellung ihrer Modelle einen Beitrag zur Erleichterung des Verstehens und Lernens liefern kann. Die Informatik biete etwa durch Struktogramme, Klassendiagramme, Sequenzendiagramme und weitere Modelle zur graphischen Darstellung komplexer Zusammenhänge und Abläufe wichtige Hilfsmittel, die das Erlernen und das Verständnis der Wirkungsweise und Funktionalität von Anwendungssoftware vereinfachen können.
Die noch nicht systematisierte Evaluation der nach diesem Prinzip durchgeführten berufliche Weiterbildungen deutet in diese Richtung. Eine empirische Auswertung steht allerdings noch aus.
Das Fazit aus dem Vortrag von Siglinde Voß lautet also: Zum einen kann in der Anfangsphase – nicht nur – des gymnasialen Informatikunterrichts die Behandlung von Anwendungssoftware grundlegende informatische Modelle und Denkweisen veranschaulichen, etwa der objektorientierten Modellierung. Ergänzend ist zu bemerken, dass Frau Voß einen Teil ihrer Ergebnisse mit der Untersuchung an einer Realschule gewonnen hat. Andererseits bieten gerade diese grundlegenden Ideen der Informatik (sie nannte diese Ideen fundamental – wurde aber in Bezug auf die Ableitung nach dem Schwillschen Modell nicht konkretisiert) Hilfsmittel zur Darstellung und Vermittlung der Funktionsweise von Office-Werkzeugen in der beruflichen Weiterbildung von Erwachsenen, die selbst vorher nie informatische Modelle kennengelernt haben.
Damit zeigt sich, dass die Informatik und somit auch die Schulinformatik in dem Sinn allgemeinbildend sein können, dass sie mit ihren Werkzeugen und Modellen das Verständnis vieler Prozesse und Strukturen erleichtern.
Die im Vortrag zur Unterstützung eingesetzten Folien sind über den
URL
www.die.informatik.uni-siegen.de/forschung/forschung/kolloquium/praesentation_voss_2005.pdf
zugänglich.
Weitere Hinweise zu Publikationen von Frau Voß:
ddi.in.tum.de/index.php?id=120
Seit dem Wintersemester 2004/05 kann Informatik als Unterrichtsfach in
Bayern auch für das Lehramt an Realschulen studiert werden. Es steht
damit zu erwarten, dass Informatik in absehbarer Zukunft in Bayern an
mehr und mehr Schulformen zu einem Pflichtfach für alle Schülerinnen und
Schüler wird.
Darstellung des informationszentrierten Ansatzes