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Ausgabe 16 vom 1. März 2007 (als PDF):

21. Februar 2007 – Thomas Leckelt

Neue »luftige« Fenster

Am 30. Januar diesen Jahres war es dann so weit, und die Veröffentlichung der neuen Windows Version »Vista« stand in der Schweiz und Deutschland bevor. Neben einigen weiteren Verkaufsargumenten dürfte es wohl vor allem die neue ansprechende »Aero« (= Authentic, Energetic, Reflective and Open) – Optik des Desktops sein, die viele Windows-Nutzer zum Kauf motivieren wird.

Was Windows-Nutzern aber erst jetzt als Neuigkeit angeboten wird, ist seit längerem fester Bestandteil eines jeden Mac mit OS X – oder aber auch seit Anfang 2006 als Erweiterung für fast jede neuere Linux-Distribution verfügbar. Aus aktuellem Anlass sei daher im Folgenden der Blick auf die »luftigen« Fenster unter dem freien Betriebssystem gerichtet.

Ausgangssituation

Als Basis kann jede Linux-Distribution dienen, auf der ein graphisches Grundgerüst mit dem üblichen X11 Window System installiert ist. Dieser X11-Server wird nun durch die entsprechenden Techniken erweitert, die ihn dazu befähigen, 3D-Objekte mit Hilfe der OpenGL-Beschleunigung der Grafikkarte zu zeichnen. Die hierfür notwendige Unterstützung durch die Grafikkarte zeigt zugleich sowohl die Stärken als auch die Schwächen dieses Ansatzes:

Da das Erstellen der Transparenz- und 3D-Effekte vollständig durch die Grafikkarte übernommen wird, erfolgt keine weitere zusätzliche Belastung der CPU. Da allerdings nicht jede Grafikkarte unterstützt wird, ergeben sich hieraus direkt die Nachteile dieser Modifikation des X11-Servers.

Zur bereits angesprochenen Modifikation des X11-Servers existieren zur Zeit zwei (bzw. drei) verschiedene Ansätze, auf die im Folgenden kurz eingegangen wird.

AIGLX

Die Erweiterung des X11-Servers mittels der Technik AIGLX (= Accelerated Indirect GL X) wird vor allem in der Distribution Fedora Core (und auf davon abstammenden Forks) eingesetzt, und wurde als freies Projekt der X.Org Foundation entwickelt. Unter Fedora Core 5 war es zunächst nötig, den mitgelieferten X11-Server der Distribution durch geeignete Bibliotheken aus entsprechenden Repositories zu erweitern. Inzwischen ist AIGLX aber Bestandteil jedes X11-Servers ab Version 7.1, so dass in der Regel die Hardwarebeschleunigung direkt aktiviert werden kann. Unter Fedora Core 6 lassen sich die 3D-Effekte – eine geeignete Grafikkarte vorausgesetzt – direkt durch einen Menüeintrag einschalten. Da der Grafikkartenhersteller nVidia diesen Ansatz der Modifikation des X11-Servers favorisiert, können die Grafikkarten von nVidia fast vollständig für den Einsatz von AIGLX eingesetzt werden. Die vorwiegend in Laptops und Workstations eingesetzten Grafikchipsätze von Intel gelten für die Varianten von i830 – i945 ebenfalls als kompatibel, so dass einem Einsatz von AIGLX auf einem Centrino-Laptop nichts im Wege steht. Komplizierter sieht der gegenwärtige Stand bei den ATI-Grafikkarten aus, da hier zur Zeit nur die Variaten vom 7000 bis hin zum nun immerhin schon fast zwei Jahre alten X850 unterstützt werden. Bei exotischeren Grafik-Chipsätzen ist bezüglich der Zusammenarbeit mit AIGLX wenig bis nichts bekannt.

XGL

Durch Novell wurde ein anderer Weg der Modifikation des üblichen X11-Servers beschritten, da hier der gesamte X11-Server vollständig um eine OpenGL-Hardwarebeschleunigung erweitert wurde. Für die Zukunft ist hier die Veröffentlichung eines eigenen Window-Servers Namens Xegl geplant, der die üblichen Funktionen eines X11-Servers enthalten wird und diesen ersetzten soll. Die entsprechenden Pakete sind in Novells OpenSuSE seit der Version 10.1 enthalten, so dass auch hier mit der geeigneten Grafikkarte ohne viel Aufwand transparente Fenster benutzt werden können. Laut Novell zählen zu den problemlos unterstützten Grafikchipsätzen die folgenden Modelle: Intel: i915, i945. nVidia: GeForce2GTS, GeForce2 MX Serie, GeForce 4xxx Serie, GeForce FX 5xxx Serie, Quadro FX Serie, GeForce 6xxx Serie, GeForce 7xxx Serie. ATI: Mobility Radeon 9700 SE, Mobility Radeon X600 sowie alle Karten, die mit dem fglrx-Treiber zusammenarbeiten.

Weitere Ansätze

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass neben den beiden zuvor beschriebenen Ansätzen ebenfalls Ansätze von Sun (Project Looking Glass) und Mandriva (Metisse) für einen eigenen 3d-Desktop existieren. Beide befinden sich zur Zeit aber noch in der Entwicklungsphase, so dass nur wenige Dinge bekannt sind.

Compiz – der neue Fenstermanager

Da es nicht allein ausreicht, den X11-Server zu modifizieren, sondern ebenfalls notwendig ist, einen anderen Fenstermanager einzusetzen, der die neuen Funktionen auch nutzen kann, wird in der Regel der Fenstermanager Compiz verwendet. Dieser ersetzt dann die üblichen Fenstermanager wie Metacity (Gnome) oder KWin (KDE), so dass auf diese Weise die transparenten Fenster und die diversen anderen Effekte ihren Einzug auf den Gnome- oder KDE- Desktop erhalten. Viel mehr als transparente Fensterränder, stufenlos verstellbare Transparenzgrade der Fenster, die Anordnung der 4 üblichen Arbeitsflächen auf einem Würfel, der beim Wechsel der Arbeitsfläche gedreht wird, oder Fenster, die beim Verschieben wie Flüssigkeiten hin- und herschwanken werden durch Compiz allerdings nicht realisiert. Wer an dieser Stelle mehr will, der findet die gewünschten Features in Beryl – einem Fork von Compiz.

Dank Beryl lassen sich die Fensterdekorationen und vor allem die Effekte beim Schließen, Öffnen, Verschieben, Verkleinern oder Vergrößern der Fenster individuell einstellen. Zu den angebotenen Effekten gehören z.B. das Verbrennen der Fenster durch eine Feuersbrunst beim Schließen der Fenster oder ein Einblendungs- bzw. Ausblendungseffekt von Fenstern, der aus diversen Science-Fiction-Serien als Transporter-Effekt bekannt sein dürfte. Insgesamt wird von Beryl eine riesige Auswahl an Effekten und Einstellungsmöglichkeiten geboten, um den Desktop noch attraktiver gestalten zu können.

Fazit

So schön die Effekte anfangs auch sein mögen, und so viel Aufsehen diese Effekte vor einem gegebenenfalls vorhandenem Publikum auch hervorrufen: Sicherlich stellt sich irgendwann die Frage, ob sich durch die angebotenen Effekte auch tatsächlich die Produktivität steigern lässt. Schließlich wird eben mit diesem Verkaufsargument bei Windows Vista geworben. Vermutlich lässt sich diese Frage nicht allgemeingültig beantworten, so dass Interessierte dies im Selbstexperiment herausfinden sollten (hierzu bieten sich vor allem diverse Live-CDs / -DVDs an). Dennoch sei an dieser Stelle ein Aspekt bemerkt: Durch die Effekte, mit denen ein Fenster aufgebaut bzw. geschlossen wird, wächst die Zeit, die vom Klick bis zum arbeitsbereiten Zustand eines Programms vergeht. Ebenfalls entsteht recht schnell der Eindruck, dass sich das System ein wenig zäh und träge verhält – zumindest im Vergleich zur Ausgangsbasis des Systems ohne diese Effekte und ohne Transparenz.

Ob nun ein subjektiv schneller empfundener traditioneller Desktop oder ein Desktop, der um Transparenz- und 3d-Effekte erweitert wurde, für den täglichen Einsatz besser geeignet ist, ist wohl jedem selbst zu überlassen. Auf jeden Fall ist es beeindruckend und sehenswert, welche Funktionsfülle freie Softwareprojekte auch in diesem Bereich bieten, und welche Effekte sich mit einem heute durchschnittlichen Computer auf den Bildschirm zaubern lassen.

Verweise

Vorstellung von XGL auf der Novell Seite (inklusive Videos und Bildschirmfotos): www.novell.com/products/desktop/features/xgl

Hinweise zu den Anforderungen von XGL in OpenSuSE: de.opensuse.org/Xgl

Details zu den Anforderungen von AIGLX in Fedora Core sowie nähere Installationsanweisungen: fedoraproject.org/wiki/RenderingProject/aiglx

Kororaa AIGLX 0.3 Live CD: kororaa.org

Hinweise und Bildschirmfotos zum Beryl Fenstermanager: www.beryl-project.org

Die hier veröffentlichten Inhalte stellen keine Meinungsäußerungen der Studienseminare Hamm Arnsberg dar.
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