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Ausgabe 10 vom 1. Juni 2006 (als PDF):

24. Mai 2006 – Martin Reinertz

WontoML – Mobilkommunikation und Informatikunterricht

Mobilkommunikation als thematische Basis des Informatikunterricht erscheint bereits auf den ersten Blick als vielversprechend und verlockend. Zum einen stellen Mobiltelefone (»Handys«) prinzipiell nichts anderes als Informatikssteme dar (die sich zunehmend auch in ihrer Leistungsfähigkeit an herkömmliche« Systeme annähern), zum anderen sichert ihre große Verbreitung und Beliebheit unter Schülerinnen und Schülern eine hohe Motivationslage, wie Befragungen in weiterführenden Dortmunder Schulen belegen. Für eine tiefergehende Betrachtung stellt sich daher die Frage, ob und in welchem Ausmaß sich bislang als wertvoll betrachtete Ausrichtungen des Informatikunterrichts am Themenkomplex Mobilkommunikation vermitteln lassen.

Weit etabliert hat sich als richtungsweisender Fokus großer Anteile des Informatikunterricht u.a. das objektorientierte Paradigma. Vor diesem Hintergrund wird mit WontoML eine Schnittstelle (Klassenbibliothek) für die Programmiersprache Python vorgestellt, mittels derer objektorientierte Modellierung anwendungsbezogen am Themenfeld Mobilkommunikation vermittelt (und komplementärerweise erlernt) werden kann.

Aha … und was genau kann ich mit WontoML machen?

Zusammengefasst handelt es sich bei WontoML um eine Python-Klassenbiblitohek zur objektorientierten Generierung von Dokumenten gemäß WML 1.2, die auf nahezu jedem heutzutage erhältlichen Mobiltelefon mit WAP-Browser angezeigt werden können. Aufgrund eben dieser maximalen Verbreitung kompatibler Browser wurde auf eine Realisierung von WontoML auf Basis einer moderneren Mark-Up-Sprache zur Mobilitätsunterstützung, etwa XHTML MP, verzichtet. Die von WontoML zur Verfügung gestellten Klassen entsprechen zum Großteil etablierten Metaphern für die Bestandteile von WML-Seiten (Stapel, Karte, Absatz, etc.). Die Klassenhierarchie selbst lehnt sich an die für die Sekundarstufe I in Bayern vorgeschlagene Struktur zur objektorientieren Modellierung von Texdokumenten an. Einige grundlegende Klassenbezeichner (bzw. davon instantiierte Objekte mit ensprechenden Namen) von WontoML sowie besagte Anlehnung an das bayrische Konzept sind in Abb. 1 überblickhaft dargestellt. Ein Quellcode-Beispiel, das die wesentlichen Elemente der Generierung  einer »Hallo Welt«-WML-Seite mittels WontoML berschreibt, steht unter www.ham.nw.schule.de/bscw/bscw.cgi/d315457/hallowelt.py zur Verfügung. Die vollständige Klassenhierarchie von WontoML ist jedoch um einiges komplexer; die komplette und ausführlich kommentierte API-Referenz kann unter www.wontoml.de.vu eingesehen werden.

WontoML-Klassen

Abb. 1: Vergleich – Aufbau des »Objektbaums« eines Textdokuments im Pflichtfach Informatik in Bayern (links) und des Objekbaums eines WML-Dokuments in WontoML (rechts). Klassenbezeichner entsprechen jeweils den Namen der dargestellten Objekte ohne Zahlenangabe. Der erste Buchstabe von Klassenbezeichnern wird in WontoML außerdem grundsätzlich GROSS geschrieben. D.h. stapel1 ist Instanz der Klasse Stapel, karte2 Instanz der Klasse Karte, etc.

Der besondere Clou an WontoML im Vergleich zur eher statischen Modellierung von Dokumenten im bayrischen Konzept für die Sekundarstufe I ist allerdings, dass WontoML-basierte Python-Programme als CGI-Skripte eingesetzt werden können und WontoML in diesem Rahmen Konstrukte zur Interaktion mit dem (eine entsprechende Website besuchenden) Benutzer zur Verfügung stellt. So ist es z.B. möglich, Texteingabefelder zu instantiieren und zu WML-Seiten hinzuzfügen oder bei Betätigung einer Softkey WML-internen Variablen Werte zuzuweisen, die wiederum mittels POST anderen Python-Skripten zugänglich gemacht werden und von diesen ausgewertet werden können. Es ist die Verwendung eben solcher Klassen zur Interaktion mit dem Benutzer, die Unterrichtsprojekte auf Basis von WontoML schnell so komplex werden lassen, dass sie für die Sekundarstufe II als angemessen und mitunter auch anspruchsvoll angesehen werden können. Dies beantwortet dann auch die von Ralph Carrie in einem ersten Erfahrungsbericht zu WontoML (bzgl. eines Einsatzes im Rahmen des Informatiktags 2006 in Paderborn) gestellte Frage, »ob das Ponto-Konzept [gemeint ist das Konzept der objektorientierten Modellierung von Textdokumenten nach Hubwieser, Anm.des Autors] nicht die gleichen Konzepte vermittelt und wozu dann WontoML?« [rhinodidactics.de/Artikel/2006-04-18_carrie-WontoML.html].

Fakt ist in diesem Zusammenhang sicherlich, dass die objektorientierte Modellierung von Textdokumenten im bayerischen Konzept (und die praktisch orientierte Umsetzung Ponto) sowie die mit WontoML vorgeschlagene objektorientierte Modellierung und Generierung von WML-Dokumenten auf nahezu denselben didaktischen Annahmen hinsichtlich der Vermittlung von Konzepten (wie etwa objektorientierte Modellierung als sinnvoller Bestandteil des Unterrichts) fußen. Fakt ist aber auch, dass die konzeptionelle Komplexität von WontoML diejenige von Ponto u.a. durch die Möglichkeit zur Interaktion mit dem Benutzer (und der damit verbundenen dynamischen Generierung von WML-Seiten) um ein Vielfaches übersteigt. Es muss beachtet werden: Während Ponto vom Aufbau her allenfalls für eine Einführung in die Objektorientierung dacht ist, bietet WontoML auch vielfältige Möglichkeiten zur Vertiefung des Konzepts (z.B. Polymorphie bei Parameterübergabe, abstrakte Klassen, etc.).

Soweit, so gut – aber wer soll die entstehenden Handy-Rechnungen bezahlen?

Einer der größten Einwände, die bislang gegen WontoML geäußert wurden, ist die (berechtigte) Frage, ob ein schulischer Einsatz nicht zwangsläufig die Handy-Rechnungen der Schülerinnen und Schüler in die Höhe treiben würde – schließlich müssen die generierten Seiten mit einem WAP-Browser betrachtet werden; nur so können die Lernenden die Korrektheit ihrer Konstruktionen überprüfen. Glücklicherweise existiert eine Alternative zur tatsächlichen Verwendung von Mobiltelefonen – und zwar in Form von zahlreichen (für nahezu jede Plattform erhältlichen) WAP-Browseremulatoren (s. Abb. 2). Derartige Emulatoren ahmen WAP-Funktionen (und häufig auch Aussehen) eines Mobiltelefons nahezu täuschend echt nach. Steht für das in der eigenen Schule verwendete Betriebssystem kein Emulator zu Verfügung, können die erstellten WontoML-basierten Python-CGI-Skripte oder ggfs. die statisch mittels WontoML erstellten WML-Seiten (auch eine statische Generierung ist möglich) über einen öffentlich zugänglichen Webserver mittels eines Online-WAP-Browsers betrachtet werden (z.B. Wapsilon oder WapTiger).

Absatz_Bild_in_Handemulator


Abb. 2: Darstellung einer mittels WontoML generierten WML-Seite im WAP-Browseremulator des Herstellers Openwave. Konstituierende Objekte für diese Seite sind Instanzen der Klassen Stapel, Karte, Absatz, Zeichen und Bild (zum Verständnis dieser Metaphern kann eine beliebige Beschreibung der WML-MarkUp-Sprache herangezogen werden).

In diesem Zusammenhang äußert allerdings Carrie wiederum, dass seiner Ansicht nach »der Einsatz des Mobiltelefons [...] innerhalb des WontoML-Konzeptes [...] doch etwas an den Rand [rückt]. Man erzeugt Seiten füR das Mobiltelefon und benutzt (aus Kostengründen) einen Handy-Emulator.« Dieser Kritikpunkt mag zunächst verständlich sein, jedoch sollte bedacht werden, dass Unterricht notwendigerweise grundsätzlich einen gewissen Anteil Simulation beinhaltet. Ob nun fremdsprachlicher Unterricht, in dem die Begegnung mit der anderssprachlichen Kultur größtenteils ebenfalls nur simuliert wird oder Informatikunterricht, in dem Modellierung zwar mit Anwendungsbezug, jedoch i.d.R. in reduzierten Kontexten behandelt wird – unterrichtlicher Rahmen bedeutet auch ein gewisses Maß an Einschränkung. Vor diesem Hintergrund stellt es dann aber vermutlich eher zusätzliche Motivation für die Lernenden dar, dass WontoML eben gerade die Möglichkeit bietet, die unterrichtlich entwickelten Produkte später auch mittels eines realen Mobiltelefons zu testen (obgleich die ständige Verwendung des Mobiltelefons im Unterricht aufgrund der damit verbundenen Kostenentwicklung sicherlich nicht möglich bzw.sinnvoll ist). So stellt Carrie dann auch weiter fest: »Argumente, die sicherlich für den Einsatz von WontoML sprechen sind, dass die Schülerinnen und Schüler keine Mobiltelefone haben müssen und auch keine Kosten entstehen (müssen). Zusätzlich ist es für Schülerinnen und Schüler sicherlich motivierend – angesichts der zunehmenden Bedeutung von Mobiltelefonen.«

Hinweise

Der vorliegende Artikel stellt einen kurzen Abriss auf WontoML und einen sehr eingeschränkten Blick auf die Funktionsfülle und der unterrichtlichen Einsatzmöglichkeiten dar. Hinweise zu WontoML, inkl. des kompletten (ausführlich kommentierten) Quellcodes, der API-Referenz, eines vollständigen Klassendiagramms, einer Installationsanleitung, Beispielen für Aufgaben und Unterrichtprojekte mit WontoML etc. finden sich unter: www.wontoml.de.vu
Dort kann auch (nach Freischaltung durch den Autor) die vollständige Arbeit heruntergeladen werden.

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