Der Einsatz Mobiler Medien als Lernwerkzeuge im Informatikunterricht wird immer häufiger in Deutschland realisiert. Hier wird ein Beispiel dokumentiert, bei dem die Schülerinnen und Schüler ausschließlich mit Mobiltelefonen arbeiten, d.h. sämtliche Programmieraktivitäten werden auf und mit Mobiltelefonen ausgeführt.
Am 10. März 2008 stellte Ludger Humbert (Universität Wuppertal – Fachbereich C – Didaktik der Informatik) mit einem Team in einem Workshop auf dem Informatik-Tag NRW den Einsatz von Mobiltelefonen als vollständige Informatiksysteme im Informatikunterricht vor.
Laut der KIM-Studie 2006 umfasst die Verbreitung des Mobiltelefons »96 Prozent der Haushalte, in denen Kinder aufwachsen« (Seite 49). In der JIM-Studie 2007 lag der Anteil des »Handy«-Gerätebesitzes von Jugendlichen bei 94% (95% der Mädchen/92% der Jungen). Aufgrund dieser Zahlen ist die Nutzung mobiler und allgegenwärtiger Informatiksysteme als Lernwerkzeug und Lerninhalt im schulischen Informatikunterricht zu überdenken und mittels Pilotversuchen zu eruieren. Die ersten Ergebnisse aus der Praxis wurden daher auf Workshops des Informatiktages unter anderem von der Arbeitsgruppe »Informatik goes mobile« (Hendrik Büdding/Uni Münster) und der Arbeitsgruppe von Ludger Humbert (Uni Wuppertal) vorgestellt.
Humbert führte anhand praktisch orientierter Beispiele aus dem Informatikunterricht der gymnasialen Oberstufe in den Einsatz mobiler Informatiksysteme ein. Schwerpunkt des Workshopvortrags war das »Mobile Programming«, das Programmieren mit Mobiltelefonen. Er berichtete dabei über seine ersten Erfahrungen mit den mobilen Systemen als vollwertigem Ersatz für Desktopsysteme. Dabei wurde zunächst die technische Seite der verwendeten Nokia-Telefone zusammen mit der Geschichte des Symbian-Betriebssystems vorgestellt. Nach der Vorstellung der technischen Möglichkeiten der eingesetzten Hardware knüpfte sich die Vorstellung der verwendeten Software an. Für das vorgestellte Unterrichtsprojekt wird eine VNC-Client-Server Softwarelösung genutzt, die es ermöglicht, auf die Mobiletelefone der Schülerinnen und Schüler zuzugreifen und die jeweiligen Displays der Endgeräte über einen Laptop auf einem Beamer darzustellen und die Mobiltelefone vom Laptop aus zu steuern. Außerdem können die Mobiletelefone per Remote-Verbindung funkfernbedient und Tastatureingaben getätigt werden. Im Schuleinsatz nutzten die Schülerinnen und Schüler keine Bluetooth-Tastaturen zum Programmieren, sondern geben ihre Python-Programme über die Mobiltelefontastatur ein.
Die Realisierung der Umsetzung des Konzeptes »Stifte und Mäuse auf mobilen Telefonen« wurde mit Berichten über praktische Unterrichtserfahrung von Ralph Carrie (Heisenberg Gymnasium Dortmund), Matthias Heming (M.Ed.-Studierender – Universität Wuppertal) und Ludger Humbert dargestellt.
Freudig überrascht zeigte sich die Arbeitsgruppe bei der Gender-Thematik im Fach Informatik. Die Motivation der Schülerinnen war und ist in diesem Pilotprojekt höher als gewöhnlich, was unter anderem an der eingesetzten Hardware festgemacht wurde. Ralph Carrie berichtete über seine allgemeinen Erfahrungen, die er in seiner 2. Staatsexamensarbeit zusammengefasst hat.
Anhand von ausgewählten Teilbereichen der Informatik mittels der Nutzung mobiler Telefone wurden kurz Python-Projekte vorgestellt. Mittels eines Fünf-Zeilers als Programmcode können Schülerinnen und Schüler beispielsweise einen Audiorekorder programmieren. Weitere kurz angeschnittene Projekte waren ein »MP3-Music-Center« als »Party Machine« und ein Messenger System, mit dem Text-Nachrichten hin und her geschickt werden und vom Mobiltelefon vorgelesen werden können. Im Unterricht wird die Python-Version »PythonForSeries60-Version« und die »PythonScriptShell« eingesetzt.
Die Workshop-Leitung berichtete in dem Zusammenhang auch über die Zertifizierungsproblematik von Open Source-Software, DRM und branded phones. Die Teilnehmer des Workshops interessierten sich für die allgemeinen rechtlichen Aspekte, für Anleitungen zur Programmierung und allgemeinen Integration von »Handys« im Unterricht, Einsatz der Mobiletelefone bis zum Abitur, das Konzept »Stifte und Mäuse auf mobilen Telefonen« und verwendete Methoden.
Einige hatten ihre eigenen Mobiltelefone mitgebracht, wollten sofort das Gesehene direkt umsetzen, aber wussten nicht, ob ihr Gerät überhaupt dafür ausgelegt war. Offenbar war es für einige Teilnehmer schwierig, die für ihr Gerät entsprechende Python-Version und die Entwicklungsumgebung Ped (IDLE für S60) im Vorfeld des Workshops auf das Mobiltelefon zu übertragen und zu installieren.
Interessant wäre aus Sicht der Teilnehmer vielleicht eine »Hands-On-Phase« im Workshop gewesen, in der die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aktiv mit ihren Geräten Arbeitsaufträge aus dem vorgestellten Projekt hätten bearbeiten können. Hätte mehr Zeit zur Verfügung gestanden, wäre ein Unterrichts-Video interessant gewesen, in dem eine reale Unterrichtsstunde beispielhaft vorgestellt wird. Eine Print- oder Videocast-Anleitung, in der das Vorgehen von der Installation bis zum fertigen Programm dokumentiert wird, wäre »das Tüpfelchen auf dem i«.
Alles in allem ein gelungener Workshop mit vielen Impulsen für einen innovativen Informatikunterricht.