If Fase Logo

mit Google im Archiv der If Fase

Ausgabe 17 vom 1. April 2007 (als PDF):

31. März 2007 – Dr. Ludger Humbert

Mit Python auf dem Mobiltelefon bis ins Zentralabitur

Gerade in Zeiten des Zentralabiturs scheinen viele Kolleginnen einem Tunnelblick bezüglich der Anforderungen für ihre Schülerinnen zu erliegen, der kaum noch Innovation zuläßt.
Diesem Blick soll mit diesem Beitrag eine konstruktive Idee entgegengesetzt werden. Auch wenn Python bisher keine der geforderten Sprachen für das Zentralabitur ist, sollten die Ideen des tatsächlichen Lebensweltbezuges auf einer fachdidaktischen Basis reflektiert werden. Wir gehen davon aus, dass die Programmiersprache Python als interaktive Programmiersprache
auf dem Mobiltelefon Möglichkeiten für einen zukunftsgerichteten Informatikunterricht bietet, die mit anderen technischen Varianten erfolgreich konkurrieren wird.

Nach den Diskussionen um Mobiltelefone in Schülerhand (häufig fachlich unkorrekt als »Handy« bezeichnet) sollten wir ernsthaft überlegen, ob nicht mit einem konstruktiven Einsatz dieser Technik der Informatikunterricht der Lebenswirklichkeit der Schülerinnen näher steht, als die bisher im Informatikunterricht fast durchgängig eingesetzten Desktopsysteme.

Warum keine Laptops? Warum keine PDAs? Warum keine MP3-Abspieler?

In der Lebenswirklichkeit der Schülerinnen kommen weder PDAs, noch Laptops vor – die omnipräsenten Informatiksysteme sind MP3-Abspielgeräte und Mobiltelefone. Bei MP3-Abspielgeräten ist die Modellvielfalt überwältigend – nicht alle Schülerinnen sind mit einem iPod ausgestattet, den wir zu einem Linux-System umbauen könnten. Außerdem bieten die Bedienmöglichkeiten für MP3-Abspielgeräte kaum eine Eingabe, die es ermöglicht, problemlos auch längere Texte einzugeben. Bei Mobiltelefonen hingegen steht beispielsweise mit der T9-Eingabe, die von den Schülerinnen ohnehin zur SMS-Eingabe genutzt wird, eine Eingabetechnik für Texte zur Verfügung, die bereits beherrscht wird, bevor die Schülerinnen in den Informatikunterricht kommen.

Grundidee

Schülerinnen verfügen über ein Mobiltelefon. Dies ist ein vollständiges Informatiksystem. Solche Systeme können programmiert werden. Die Programmierung – das ist die schärfste Anforderung in diesem Beitrag – muss auf dem Mobiltelefon erfolgen können, andernfalls kann gleich mit den Desktopsystemen gearbeitet werden.

Gesucht – Gefunden

Es wurde eine Möglichkeit gesucht, die es erlaubt, auf dem Mobiltelefon

  1. Programmquellcode einzugeben und zu editieren
  2. Programmquellcode ablaufen zu lassen
  3. Programmquellcode zu ändern
Symbian S60 ist ein bekanntes Betriebssystem für Mobiltelefone. Die Liste der Systeme, die mit diesem Betriebssystem arbeiten, kann unter www.s60.com eingesehen werden. Das Betriebssystem liegt inzwischen in der 3rd Editon vor. Für dieses Betriebssystem existiert ein Pythoninterpreter, der auf dem System ablauffähig ist.

Der Prototyp

Im letzten Jahr (2006) erstellte Ralph Carrie in seiner Hausarbeit (im Zusammenhang mit dem zweiten Staatsexamen) eine erste Implementierung mit beispielhaften Elementen aus der in NW (== Nordrhein-Westfalen) bekannten programmiersprachenunabhängigen Klassenbibliothek Stifte und Mäuse (Teile der Klassen Bildschirm und Buntstift wurden von Ralph Carrie im Zusammenhang mit der Erstellung seiner Staatsarbeit haspe.homeip.net:8080/cgi-bin/pyblosxom.cgi/Didaktik_der_Informatik/2007-02-06_Examensarbeiten-2006.html realisiert). Das Interesse an dieser Hausarbeit ist sehr groß, so dass wir gebeten wurden, im März 2007 in Berlin zu dieser Idee einen Workshop für Lehrerinnen durchzuführen. haspe.homeip.net:8080/cgi-bin/pyblosxom.cgi/Informatische_Bildung/2007-03-08_Berlin-Fachtagung-Informatiklehrer.html

Programmieren

Stifte und Mäuse – auf dem Mobiltelefon

Im Verlauf der Vorbereitung zu diesem Workshop wurden weitere Elemente der Klasssenbibliothek in Python für Mobiltelefone realisiert.

sumkern

Insbesondere sind alle Klassen aus SuM-Kern inzwischen vollständig verfügbar (Bildschirm, Stift, Buntstift, Tastatur, Maus und Anwendung). Außerdem wurde die sehr beliebte Klasse Sprite, die von Ingo Linkweiler im Rahmen seiner Diplomarbeit www.ingo-linkweiler.de/diplom realisiert wurde, auf das Mobiltelefon portiert. Damit kann das bekannte Huhnspiel in Python auf dem Mobiltelefon gespielt werden. Um Bildschirmfotos erstellen zu können, wurde die Klasse Bildschirm um den Auftrag: bildschirmfoto(<dateiname>) erweitert, mit dem dies aus Programmen heraus ermöglicht wird.

sumwerkzeuge

Die Klassen Rechner, Uhr, Textwerkzeug wurden ebenfalls in Python realisiert. Diese sind auf allen Systemen, die über einen Pythoninterpreter verfügen, einsetzbar.

Das Huhnspiel in Python auf dem Mobiltelefon

Huhnspiel in Python auf dem Mobiltelefon

sumstrukturen

Die Datenstrukturklassen, wie sie vorbereitend für das Zentralabitur von Bernd Schriek in Java implementiert wurden, sind zum Teil ebenfalls bereits portiert.

sumSQL

Einige hochinteressante Projektideen sind mit Hilfe von Datenbanken realisierbar – vor allem, wenn Sie sich die Voraussetzungen für das Zentralabitur 2009 ansehen, werden Sie feststellen, dass Datenbanken (als Ergebnis der Einbeziehung von Berufskollegs in das Zentralabitur) Bestandteil des Zentralabiturs werden. Auf Mobiltelefonen stehen eine Reihe von Daten in Form von Datenbanken zur Verfügung – ob Kalenderdaten, Kontaktdaten oder die Liste der angerufenen Telefonnummern, all diese Daten sind in Datenbanken abgelegt, die mit sumSQL nicht nur gelesen werden können.

Fehlendes Modul: sumnetz

Die im Zusammenhang mit den vorbereitenden Materialien zum Zentralabitur veröffentlichten Schnittstellen lassen (und dies gilt sowohl für sumstrukturen, aber insbesondere für sumnetz) eine ordnende Hand vermissen. Dazu habe ich an anderer Stelle rhinodidactics.de/ddi (unten auf der Seite) bereits ausführlich berichtet. Kurzgefasst geht es bzgl. der Datenstrukturen m.E. darum, dass Schnittstellen minimal beschrieben werden und nicht alle möglichen Fälle in der Oberklasse Berücksichtigung finden sollten.

Bei den Klassen für sumnetz kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass nicht primär objektorientiert modelliert wurde, sondern die Spezifika der Bezugssprachen offenbar Handlanger für die Modellierung sind. Schade, denn eine Realsierung in Python verkompliziert die doch recht einfachen Schnittstellen (vgl. dazu die Netzwerkaufgabe in der EPA, die völlig ohne diese Abstraktion auskommt). Prinzipiell kann das Modul sumnetz jedoch realisiert werden.

Fehlendes Modul: sumkomponenten

Das kann nicht wahr sein: ein Werkzeug, das von einem Schüler geschrieben wird, bestimmt die Elemente in einer Klassenbibliothek. Ich denke, darüber sollte doch noch einmal fachdidaktisch nachgedacht werden. Mir jedenfalls scheint diese Schnittstelle erheblich überladen. Eine Realisierung für Mobiltelefone ist zwar möglich, ich denke aber, dass ein derart kleiner Bildschirm häufig mit einem modalen Dialog vorlieb nehmen sollte. Wir müssen an dieser Stelle über eine sinnvolle Mensch-Maschine-Schnittstelle nachdenken. Prinzipiell kann die Schnittstelle realisiert werden.

Perspektiven

Mit den bereits jetzt verfügbaren Modulen

kann der Informatikunterricht auf dem Mobiltelefon im Jahrgang 11 komplett und zu grossen Teilen auch in Jahrgang 12 durchgeführt werden. Dabei sind die Module an die auf learnline angegebenen Klassenstruktur angelehnt. An einigen Stellen (siehe oben und siehe Quellcode) wurde die Bibliothek um nützliche und sinnvolle Elemente erweitert. Allerdings wurden einige Module bisher nicht oder nur unvollständig realisiert. Dies ist aber eher auf grundlegende Kritik an den Modulen und/oder mangelnde Zeit zurückzuführen. Um Netzdienste realisieren zu können wird es nötig werden, wenn SuM-Kompatibiltät angestrebt wird, Elemente, die in Python einfacher realisiert werden könnten, zu verkomplizieren. Dies haben wir bereits im Zusammenhang mit der Klasse Textwerkzeug erlebt. Wenn es allerdings dazu führt, dass unserer Klassenbibliothek erfolgreicher eingesetzt werden kann, werden wir auch diese Elemente SuM-konform umsetzen.
Die hier veröffentlichten Inhalte stellen keine Meinungsäußerungen der Studienseminare Hamm Arnsberg dar.
© Redaktion If Fase