Das Comenius Mausoleum findet sich an der Kloosterstraat in Naarden in der Nähe von Amsterdam und es umfasst neben dem Museums- und Verwaltungsgebäude eine Kapelle, das eigentlichen Grabmal des Comenius (vgl. auch Comeniusmuseum).
Die in dieser Ausgabe publizierten Bilder wurden von Christopher Görlich fotographiert und bearbeitet. Für die erläuternden Texte wurden aus der Fülle der Sekundärliteratur beispielhaft herangezogen: Schaller 2004, Dieterich 2005 und David Kips: The Comenius Mausoleum. The Refurbishment of the burial chapel in Naarden (eine Publikation des Museums o.J.) sowie eine Transkription der einführenden Worte des Museumsdirektors, Dr. van Linde, bei dem Besuch der Autoren im November 2012.
Die Illustrationen bleiben notwendig selektiv. Sie sollen anhand ausgewählter architektonischer und künstlerischer Manifestationen an wesentliche Momente im Leben und Werk von Comenius erinnern bzw. zu erneuter Diskussion anregen und einen bescheidenen Einblick in die Gemeinde der Wissenschaftler und pädagogischen Praktiker eröffnen, die sich dem Erbe des Comenius gewidmet haben.
Die hier vorgelegten Bilder und Texte wollen also nicht als Museumsführer verstanden werden, der an weiteren Details Interessierte sei auf die oben angegebene Literatur verwiesen.
Die Geschichte des Gebäudekomplexes lässt in sich vielfältigen kirchlichen und säkularen Funktionen bis in das Mittelalter zurückverfolgen. Das Mausoleum war ursprünglich der Chor eines Frauenklosters (1440–1579). Obwohl das Gebäude 1572 einem verheerenden Brand in Naarden standhielt, konnte es angesichts der Reformation nicht mehr als Kloster genutzt werden. In der Folgezeit wurde es in ein Waisenhaus umgewandelt – ab 1651 in der Trägerschaft der wallonischen Gemeinde. In diese Zeit fällt mit dem 22. November 1670 die Beisetzung von J.A. Comenius, eine Woche nach seinem Tode in Amsterdam. 1820 wurde der ganze Komplex von der Stadt übernommen, das Waisenhaus aufgelöst, die Einrichtung in eine Kaserne, ein Depot, phasenweise auch in eine Garnisonsschneiderei und ein Gefängnis umgewandelt. Die Kapelle wurde in den 30iger Jahren des 19. Jh. zivil als kleine Baumwollfabrik genutzt.
Nachdem in den 20er Jahren des 20. Jh. die Authentizität der Grabstelle von Comenius festgestellt worden war, wurde der Ort auf ausdrücklichen Wunsch des tschechoslowakischen Staates 1934 bis 1937 als Mausoleum für Comenius restauriert und umgebaut – z.T. durch Freilegung der ursprünglichen Bausubstanz und Archtitektur, z.T. durch Integration neuer Elemente – unter der Federführung tschechoslowakischer Architekten und Künstler unter Nutzung tschechoslowakischer Materialien.
1933 wurde das Gebäude für eine symbolische Miete von einem Gulden für ewig dem tschechoslowakischen Staat übergeben. Angesichts der Okkupation der Tschechoslowakei durch Deutschland blieb jedoch der Status fraglich. Heute ist davon auszugehen, dass es sich bei dem Museum um niederländisches Staatsgebiet handelt, aber alle Fragen einvernehmlich mit der tschechischen Botschaft in Amsterdam geregelt werden.
Rückblickend bleibt es für den heutigen Blick befremdlich, dass die damalige tschechoslowakische Planungsgruppe nach einem Einrichtungsdesign suchte »that originated in the Czech spirit« (Kips a.a.O, S. 9) und Hilfsangebote anderer Staaten höflich, aber bestimmt zurückwies.
Erstes Ziel der tschechischen Gestalter war nicht die Restauration einer mittelalterlichen Kirche, sie wollten die Ehrfurcht für die letzte Ruhestätte von Comenius zum Ausdruck zu bringen. Aus heutiger Sicht möchte man von einem Gesamtkunstwerk sprechen, wobei über die Lichtgestaltung durch die blauen Fenster und die davor gesetzten gelben, motivisch gestalteten Glasplatten auch der Außenraum einbezogen wurde. Kips (a.a.O. S. 11) nennt neben den Fenstern und den schräg davor gesetzten gelben Glasplatten als weitere prägende Designmerkmale:
In der gesamten Kapelle gibt es zahlreiche Anspielungen auf das Freimaurertum und damit mittelbar auch auf Comenius, dessen Rede im englischen Parlament »Via lucis« zu den Gründungsschriften der Freimaurer gezählt wird.
Der Ort der Grablegung von Comenius ist mit vielen Spekulationen verbunden. Wesentlich für die Wahl des Standortes dürfte sein, dass Comenius die letzten Jahre seines Lebens in Amsterdam mit der Unterstützung einer der damals reichsten Familien Europas, de Geer, verbrachte. Aus heutiger Sicht scheint es erwähnenswert, dass die Famlie de Geer u.a. als Waffenhändler und -produzent in den 30-jährigen Krieg involviert war. Spekulativ könnte dies auch das Interesse an einer entsprechend gebildeten Arbeiterschaft und damit die Förderung von Comenius durch die Familie de Geer erklären. Das Leben von Comenius selbst war aber auch im Alter von Armut und aus unserer heutigen Sicht von zunehmender geistiger Verwirrung gekennzeichnet.
Aus den sieben Glasplatten ist hier das dritte Panel zur Linken beispielhaft abgebildet. Es enthält nach Kips (a.a.O. S. 18) eine Lobrede auf die Niederlande. »Der grauhaarige Comenius schreibt eine Ode an die Nordsee und ist in einer tiefen Diskussion mit de Geer. Der Drucker händigte ihm eine Kopie seines Werkes aus. Die Namen von Amsterdam und de Geer sind in die Platte geätzt, aber es bleibt unklar, welcher der Gönner von de Geer hier gemeint ist«. Comenius und die Brüder wurden unterstützt und finanziert von drei aufeinanderfolgenden Generationen dieser Kaufmannsfamilie von Amsterdam. Die Buchtitel auf dem unteren Rand des Panels sind: »Opera didacta Omnia – Unum necessarium – Lux in Tenebris«.
Im Zusammenhang mit der Grabplatte ist eine Grabinschrift für Comenius erwähnenswert, die an der Nordwand von dem Eingangsportal eingelassen ist. Der Text wird seinem Sohn Daniel zugeschrieben. Dort heißt es u.a.: »Comenius bevorzugte es, Übel eher zu korrigieren als sie anzugreifen. Er war ein Bürger, ein Exilant oder Gast in vielen Ländern und Regionen von Europa« (Kips a.a.O. S. 28).
Im Anschluss an die Führung durch die ehemalige Kapelle – dem heutigen Mausoleum – fand das Interview in den Bibliotheksräumen des Museums statt.
Dr. Hans van der Linde kann in seiner heutigen Funktion als Leiter des Museums auf familiäre und berufliche Erfahrungen und Prägungen zurückgreifen. Sein Vater war Theologe und auch Pfarrer in der Brüdergemeinde, die sich als Fortsetzung der Kirche des Comenius versteht. In der Gemeinde wird Comenius der Rang eines Kirchenvaters zugesprochen. Als Hochschullehrer war der Vater auch mit Promotionen zu Comenius befasst und hat selber entsprechend publiziert. Dr. van der Linde erinnert sich, wie er mit seinem Bruder 1969 seinen Vater auf eine Konferenz in der Tschechoslowakei begleitete und die Geschwister sich über aufgefangene Namen wie Comenius in Rollenspielen verwickelten, ohne sich der Bedeutung dieser Namens bewusst zu sein.
Die identitätsstiftende Funktion des Comenius Mausoleums wird besonders betont durch die Holschnitzerei über der Galerie im Eingangsbereich. Auch Kips muss zugeben, dass hier in emphatischer Weise der Geist tschechischenslowakischen Nationalismus über die Schnitzereien vermittelt werden soll. Der Stamm der Linde teilt sich in der Mitte in zwei starke symmetrische Zweige, welche die tschechische und slowakische Nation präsentieren sollen. Nach oben reichend wie ausgestreckte Hände demonstrieren sie ihren Respekt vor dem großen Lehrer Comenius. Eines der meist bekannten Werke von Cominius, der »Orbis Sensualium Pictus«, enthält einen ähnlichen Baum mit der Linde ähnlichen Blättern.
Das Wappen ist aus vergoldetem Lindenholz gemacht und in der Mitte der ganzen Schnitzerei positioniert als höchstes Emblemen der befreiten Nation. Es besiegelt symbolisch den Eid, »dass das Land seine wiedergewonnene Unabhängigkeit behalten und fortfahren wird, loyal gegenüber dem Grabe des Comenius zu sein«.
Comenius wurde 1592 in Mähren geboren. In Folge der Wirren des 30-jährigen Kriegs wurden er und seine Familie wiederholt vertrieben. Comenius durchreiste mit verschiedenen Stationen das damalige Europa bis er sich in Amsterdam niederließ und auch dort verstarb.
Die Gruppenbilder aus dem Chorgitter veranschaulichen beispielhaft sein persönliches Schicksal, aber auch das seiner Familie und des politischen Europas.
Die erste Gruppe zeigt nach Kips (a.a.O. S. 24) Comenius 1618 als einen geistlichen Führer und Lehrer an der Schule in Fulnek. Hier führte er ein erfolgreiches Leben als Lehrer und Haupt der Familie. Er war ein weiser Berater für die Menschen in spirituellen wie auch alltäglichen Dingen.
Die zweite Gruppe zeigt dem Moment im Jahre 1628, wenn Comenius sein Heimatland für immer verlassen musste. Nachdem er emigriert war, wurde er in Lissa in Polen sesshaft (Kips a.a.O.).
Das dritte ausgewählte Beispiel illustriert die politischen Aktivitäten von Comenius. Im Jahre 1642 traf er den schwedischen Kanzler, Axel Oxenstierna, der ihn einlud, in Schweden sesshaft zu werden und an schwedischen Schulen Latein zu lehren (a.a.O.).
Das letzte Beispiel für die Bronzefiguren erzählt die Einnahme und Schleifung von Lissa im Jahre 1656, wobei die meisten wertvollen Arbeiten von Comenius von dem Feuer zerstört wurden (Kips a.a.O.).